Auszug des in der ZInsO 2017, 180 ff. erschienen Urteiles bzw. der Anmerkung von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Insolvenzrecht Christian Weiß:

 

"In der für Amtsgerichtsverhältnisse mit insgesamt 26 Seiten ausgesprochen langen Entscheidung hat das AG Rockenhausen die Recherche von Daten aus den öffentlichen Insolvenzbekanntmachungen mittels App dem BDSG unterworfen. Die entgeltliche Recherche unter Verknüpfung bzw. Auswertung der eigentlich öffentlich zugänglichen Daten von www.insolvenzbekanntmachungen.de wurde letztlich aufgrund der Prangerwirkung der App als unzulässig i. S. v. §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB i. V. m. 4 Abs. 1 BDSG  eingeordnet – und zwar in der konkreten Ausgestaltung der gegenständlichen Anwendungssoftware: Deren Besonderheit sei darin zu sehen, dass die Nutzer als Dritte die Insolvenzbekanntmachungen mittels der App nicht nur gezielt selektieren können. Vielmehr sei durch sie gar eine kartografische „Suche“ statt der bei www.insolvenzbekanntmachungen.de erforderlichen, konkreten Recherche unter Angabe individueller Parameter wie Name, Gerichtsaktenzeichen oder/und Gerichtsort möglich.

 

Aufgrund dessen handele es sich bei den von der App letztlich angebotenen um veränderte Daten i. S. v. § 3 Abs. 4 Nr. 2 BDSG; was eine Interessenabwägung nach § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Nr. 2 BDSG erforderlich mache. Als deren Ergebnis überwogen die Interessen der Verfügungskläger als IK-Schuldner in anhängigen bzw. abgeschlossenen Insolvenzverfahren das Auskunfts- und Informationsrecht der App-Nutzer und insbesondere die wohl primär wirtschaftlichen Interessen der Anbieterfirma.[1] Das Recht der Schuldner auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG verletzte die App. Sie warf z. B. allein durch Eingabe einer Postleitzahl letztlich persönliche Informationen aller evtl. Betroffener wie den vollständige Namen, Geburtsdaten, aber auch Einzelheiten zu deren Insolvenzverfahren und hinsichtlich des Verfügungsklägers zu 2. als Jurastudent gar den Umstand, dass sich dieser derzeit in Haft befände, aus.[2] Seit Erscheinen der App vor einigen Wochen sei diese bereits mehr als 1 Million Mal heruntergeladen worden.[3] Selbst wenn zum Schutz des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs sicherlich ein Interesse der Allgemeinheit daran besteht, bspw. vor Abschluss eines Vertrages mit einem konkreten Betroffenen zu prüfen, ob dieser (in-) solvent ist, vermag die gegenständliche App in ihrer konkreten Ausgestaltung auch nach Auffassung des Verfassers dem nicht gerecht zu werden: Wer als (potentieller) Gläubiger über einen konkreten Schuldner/Vertragspartner nähere dahingehende Informationen erhalten möchte, kann dies neben Auskunfteien insbesondere über das allgemeine Internet-Portal www.insolvenzbekanntmachungen.de tun. Dass dies die mehr als 1 Million Kunden der gegenständlichen App dazu getan haben, ist weniger wahrscheinlich. Zudem verleitet die konkrete Aufmachung der App offenbar vielmehr zu pauschalen, evtl. lediglich von Neugier getriebenen Recherchen im „Umland“ der anonymen App-Nutzer.[4] Zudem dürften sich auch im Hinblick auf die Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet (InsoBekV) im Zusammenhang mit der App wie sie der Entscheidung des AG Rockenhausen zu Grunde lag, Fragen stellen: Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 dieser Verordnung dürften Veröffentlichungen noch zwei Wochen nach dem ersten Tag der Veröffentlichung nur noch abgerufen werden können, wenn die Abfrage den Sitz des Insolvenzgerichts und mindestens eine weitere Angabe wie den Familiennamen enthält. § 3 Abs. 1 normiert, dass spätestens sechs Monate nach der Aufhebung oder der Rechtskraft der Einstellung des Insolvenzverfahrens entsprechende Daten zu löschen sind. Dass dem die App-Betreiber gerecht geworden sind, scheint nicht so.[5]"