Mangelhafter Sattel? Nicht immer ist „der Sattler schuld“! Urteilsanmerkung zu AG Melsungen v. 08.10.2021 – 4 C 72/19 (Quelle: Rheinlands Reiter + Pferde 02/2022, S. 83)

Der Rechtsstreit war – wie so oft in Pferdesachen – langwierig, teuer – und letztlich auch unnötig: Die Klägerin erwarb für sich als Freizeitreiterin und ihr Pferd einen Sattel. Die Parteien stritten gut zwei Jahre und einige vergebliche außergerichtliche Einigungs-/Mediationsversuche später gerichtlich um Ansprüche nach erfolgtem Rücktritt vom Vertrag über die Lieferung eines Maßsattels. Die Klägerin beauftragte bei dem Beklagten die Lieferung und Anpassung eines Maßsattels zum Preis von ca. 4.000 €. 2017 lieferte der Beklagte den Maßsattel und passte diesen an. Nach Lieferung des Sattels erfolgten einige Zeit später Mängelanzeigen durch die Klägerin, woraufhin der Beklagte „Nachbesserungen" ohne Anerkennung einer Rechtspflicht vornahm. Die Klägerin erklärte später den Rücktritt vom Vertrag. Sie behauptet u. a., der Sattel sei im Zeitpunkt des Gefahrübergangs mangelhaft gewesen. Schon der Sattelkopf des Sattels sei für die generelle Physiognomie des Pferdes nicht geeignet. Der Beklagte behauptet u. a., das Rutschen des Sattels sei in der (veränderten) Physiognomie der Klägerin oder/und des Pferdes begründet. Das Gericht hatte Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Der Sachverständige hat sein Gutachten in der mündlichen Verhandlung vom 28.07.2021 ergänzend erläutert. Soweit der äußerst kurz zusammengefasste Sachverhalt.

Letztlich gab das Gericht in der nunmehr rechtskräftigen Entscheidung „dem Sattler“ aus mehreren Gesichtspunkten und zutreffend Recht. Es verneinte einen Anspruch der Pferdebesitzerin: Sie habe keinen Anspruch auf Kaufpreisrückzahlung nach erfolgtem Rücktritt Zug um Zug gegen Rückgabe des Sattels nebst Kurzgurts. Denn: Sie konnte nicht zur Überzeugung des Gerichts beweisen, dass der streitgegenständliche Sattel bei Gefahrübergang bereits mangelhaft war. Die Beweislastumkehr beim Verbrauchsgüterkauf nach § 477 BGB sei vorliegend nicht anwendbar: Sie habe bereits ihre eigene Verbrauchereigenschaft nicht behauptet. Zum anderen sei auch streitig, ob sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang überhaupt ein Mangel gezeigt hat — die Beklagtenseite hat vorgetragen; es habe kein Mangel vorgelegen; „Nachbesserungsversuche" erfolgten ohne Rechtspflichtanerkennung. Ganz im Gegenteil: In diversen Messenger-Nachrichten schwärmte die Klägerin zunächst von dem wunderbaren Sattel und wie toll ihr Pferd laufe. Außerdem sei die Vermutung des § 477 BGB auch mit der Art der Sache unvereinbar! Hierbei komme es darauf an, ob der konkrete Mangel bei dem konkreten Kaufgegenstand mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einen Rückschluss auf sein Vorliegen bzw. das Vorliegen eines „Grundmangels" zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs zulässt (Lorenz, in: Münchener Kommentar zum BGB, B. Aufl. 2019, § 477 Rn. 18), so das Gericht. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da aufgrund von naturgemäß vorkommenden Veränderungen der Physiognomie des Pferdes ein Sattel — auch wenn er bei Anpassung „passte" — zu späteren Zeitpunkten erneut angepasst werden muss. Denn naturgemäß könne durch die Nutzung eines Sattels eine Veränderung der Muskulatur des Pferdes stattfinden, woraufhin es einer erneuten Anpassung bedarf, dies hatte auch der Sachverständige zur Überzeugung des Gerichts ausgeführt.

Letztlich hatte der Sachverständige auch keine Feststellungen mehr dazu treffen können, ob der Sattel im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vor 4 Jahren mangelhaft /ob der Sattel optimal auf die Maße des Pferdes angepasst gewesen war: Neben der Veränderung eines Pferdes sei auch eine entsprechende Veränderung der Reiterin insbesondere aufgrund des Zeitablaufes nicht auszuschließen – aber auch nicht mehr zu rekonstruieren.

Bei der Gelegenheit: Wenn das Gericht auf die Sachverständigenausführung „… wenn sie das Pferd an die Hand heran reiten…“ für das Protokoll nachfragt, wohin der Sachverständige mit dem Pferd reiten möchte (?), wird klar, dass ein solcher „Pferde-Rechtsstreit“ letztlich auch mit noch mehr Risiken einher geht, als ein üblicher. Über die o. g. Punkt hinaus hat daher auch die Sachverhaltssicherung und Prozessführung an sich noch „sorgfältiger“ als üblich zu erfolgen.