Der (zu erwartende) Anfall einer Erbschaft, eines Vermächtnisses oder Pflichtteils während des Insolvenzverfahrens erfreut zum einen den Schuldner. Zum anderen wünschen auch die potentiellen Erblasser nicht selten aus persönlichen Gründen, dass der sich in Insolvenz befindliche Bedachte bestenfalls alles erhalten soll.

Hier ergeben sich oft im Einzelfall sinnvolle Gestaltungsmöglichkeiten:

Paragraph 83 Abs. 1 S. 1 InsO bestimmt, dass alleine dem Insolvenzschuldner die Entscheidung über die Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses zusteht, das ihm vor dem oder während des Insolvenzverfahrens anfällt. Die Rechtsprechung qualifiziert die Entscheidung des Insolvenzschuldners über die Annahme oder Ausschlagung über die Erbschaft oder des Vermächtnisses als höchstpersönliche Entscheidung, die auf den besonderen Beziehungen des Erben bzw. Vermächtnisnehmer bzw. Pflichtteilsberechtigten zum Erblasser beruht.[1] Ist dem Schuldner jedoch ein Erbe angefallen, fällt dieses grds. in voller Höhe in die Insolvenzmasse.

Obliegenheitsverletzung in der Wohlverhaltensphase?

Den Höchstpersönlichkeitsgrundsatz gilt es auch in der Wohlverhaltensphase zu beachten.[2] Daher darf nach der BGH-Rechtsprechung die Erbausschlagung oder der Verzicht auf die Geltendmachung des Pflichtteils oder die schlichte Nichtgeltendmachung des Pflichtteils nicht als Obliegenheitsverletzung i.S.d. § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO angesehen werden.[3] Der Grundsatz des Von-Selbst-Erwerbs (vgl. oben II.2.) erfährt im Insolvenzrecht hier eine Einschränkung. Die Obliegenheit des Schuldners, in der Wohlverhaltensperiode die Hälfte[4] des Vermögenswertes, den er von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erwirbt, an den Treuhänder herauszugeben (Halbteilungsgrundsatz, § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO) greift erst dann ein, wenn der Insolvenzschuldner das Vermächtnis tatsächlich angenommen hat bzw. die Ausschlagungsfrist für einen Erben abgelaufen ist bzw. den Pflichtteil geltend gemacht hat. Anders als beim Erbe, für das die Ausschlagungsfrist regelmäßig sechs Wochen beträgt, enthält das Gesetz für Vermächtnisse keine Ausschlagungsfrist, nach deren Ablauf das Vermächtnis als angenommen gelte. Daher kann ein Insolvenzschuldner ein ihm vom Erblasser testamentarisch zugewandtes Vermächtnis auch noch Jahre nach dem Erbfall ausschlagen, solange er es vorher nicht ausdrücklich angenommen hat. Nimmt er es erst nach Ablauf der Wohlverhaltensperiode an, muss er es nicht mit dem Treuhänder teilen. Gleiches gilt, wenn der Insolvenzschuldner den Pflichtteil erst nach diesem Zeitpunkt geltend macht.[5]

Ein Vermächtnis bzw. die "Enterbung" des eigentlich angedachten Erben, um diesem einen Pflichtteilsanspruch zu verschaffen (beides in Kombination mit der o. g. sehr späten Geltendmachung) können daher Gestaltungs-Mittel sein.

Versagung der Restschuldbefreiung?

Weil somit nach o. g. auch keine Obliegenheit besteht, ein nicht angenommenes Vermächtnis oder einen nicht geltend gemachten Pflichtteil hälftig an den Treuhänder abzutreten kann natürlich auch an dieses Verhalten des Schuldners keine Sanktion, z.B. eine Versagung der Restschuldbefreiung, geknüpft werden. Der Insolvenzschuldner ist nicht einmal verpflichtet, den Treuhänder hierüber in Kenntnis zu setzen, solange er eben das Vermächtnis bzw. den Pflichtteil nicht angenommen bzw. den Pflichtteil nicht geltend gemacht hat (vgl. § 852 Abs. 1 ZPO).[6]

 

[1] BGH v. 10.3.2011, IX ZB 168/99, NJW 2011, 2291 Rn. 6.

[2] BGH v. 10.3.2011, IX ZB 168/99, NJW 2011, 2291 Rn. 6.

[3] BGH a.a. O.

[4] Im Gegensatz zur vollen Höhe von zuvor!

[5] BGH v. 10.3.2011, IX ZB 168/99, NJW 2011, 2291 Rn. 7.

[6] BGH v. 25.6.2009, IX ZB 196/108, NJW-RR 2010, 121 Rn. 9; BGH v. 10.3.2011, IX ZB 168/99, NJW-RR 2011, 2291 Rn. 8.