OLG München v. 24.01.2018 – 3 U 3421/16 (rkr.)

477 BGB (§ 476 a. F.) – Beweislastumkehr Verbrauchsgüterkauf (§§ 474 ff. BGB) – erste Anzeichen der Symptome binnen 6 Monaten seit Gefahrübergang ausreichend für Umkehr der Beweislast

Lahmheit/Fesselbeinläsion

Erschütterung des Anscheinsbeweises nicht ausreichend

Ober-/Privatgutachten

Keine Befangenheit des Gerichts weil Käuferin ehemals im staatsanwaltschaftlichen Dienst

1. Das OLG München hat sich i. E. und im Wesentlichen der Entscheidung des BGH v. 12.10.2016 – VII ZR 103/15 sowie der Auslegung des § 477 BGB in der Lesart des EuGH v. 04.06.2015 – C-497/13 – Faber angeschlossen:

Bei dem von der Klägerin als Verbraucherin erworbenen Pferd zeigte sich binnen 6 Monaten nach Gefahrübergang eine gering- bis mittelgradige Lahmheit des rechten Vorderlaufs. Auf derartige Sachverhalte ist – inzwischen auch was den Kauf von Tieren betrifft (OLG München a. a. O, Seite 5, B) 1) m. w. N.) unstreitig – die Beweislastumkehr des § 477 BGB  (§ 476 BGB a. F.) anzuwenden. Spannender wird jedoch, dass das OLG München feststellt, dass die Beweislastumkehr-Vermutung, von dem Verkäufer (Beklagten) nicht nur erschüttert werden muss… Er ist nach Auffassung des Gerichts und zwischenzeitlich ebenfalls einhelliger Auffassung gar gehalten, diese zu widerlegen (i. S. v. § 292 ZPO). In der Praxis bedeutet dies: Der Verkäufer des Pferdes hatte zu beweisen, dass die bei diesem aufgetretenen Krankheitssymptome der Lahmheit ihre Ursache nicht in einem Zustand haben, der schon bei Gefahrübergang vorgelegen hat; was dem Beklagten trotz im Rahmen des Rechtsstreits vorhandener (Privat-) Gutachten und Obergutachten nicht gelang (OLG München a. a. O., S. 6f.). Der Verkäufer hätte also beweisen müssen, dass Ursache für die Lahmheit ein Umstand war, der nach dem Gefahrübergang lag. Und zwar zur Überzeugung des Gerichts bei freier richterlicher Beweiswürdigung und zum einen trotz dem Umstand, dass bei Tieren als lebenden Organismen eine rückwirkende Feststellung der organischen Zustände mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht möglich ist; zum anderen trotz hoher Prozentangaben (von 70 – 80 %) der Sachverständigen (OLG München a. a. O., 6 f. m. w. B.)

„Zwischen den Zeilen“ hat das Gericht somit auch klargestellt, dass bei einem Verbrauchsgüterkauf ein evtl. Anscheinsbeweis als Mittel der nur mittelbaren Beweisführung nicht dadurch hinreichend widerlegt werden kann, dass der Verkäufer Tatsachen vorträgt, die die Möglichkeit eines anderen (atypischen) Kausalverlaufs möglich erscheinen lassen (zivilprozessual die sog. Erschütterung des Anscheinsbeweises). Von der vorgenannten Beweislast des Verkäufers könnte sich dieser nur befreien, wenn die Vermutung des § 477 BGB mit dem Mangel der Art nach unvereinbar wäre. Dies war vorliegend aber nicht der Fall: Alle 3 veterinärmedizinischen Gutachten hatten dahingehend keine Divergenz hervorgebracht. Es sei sehr wohl möglich, dass bei einem Pferd eine Lahmheit auftritt, deren Ursache bereits 6 Monate zuvor gesetzt wurde (OLG München a. a. O., S. 5 f.).

2. Die Käuferin/Klägerin war vormals an dem – kleinen – Gericht als Staatsanwältin tätig. Hieraus hatte der Beklagte eine „Voreingenommenheit“ des erkennenden Richters wegen kollegialem Näheverhältnis geschlossen und moniert. Das OLG München hat dies – zurecht – abgelehnt, und zwar im Wesentlichen aufgrund der Trennung von Staatsanwaltschaft und Gericht. Dennoch hat es dieses Ergebnis formell damit begründet, dass durch den anwaltlich vertretenen Beklagten kein hinreichend verfahrensordnungskonformes Ablehnungsgesuch i. S. v. § 44 ZPO gestellt worden ist!