Im Rahmen des sehr informatioven Beitrages "pferdesport.coronakrise" in Ausgabe 5/2020 des Reitsportmagazins Rheinlands Reiter+Pferde beleuchtet Rechtsanwalt/Fachanwalt für Insolvenzrecht Christian Weiß kritisch die Auswirkungen des "Corona-Abmilderungs-Gesetzes" für den Pferdesport:

"Covid-19 hinterlässt Spuren, nicht nur in der Pferdewelt: Das „Corona-Abmilderungs-Gesetz“!
Der „Corona-Virus“ hat(te) weltweit massivste Auswirkungen/Beeinträchtigungen auf unsere aller Privat- und Berufsleben. Die Pferdehalter waren hier – sofern das unter dieser Ausnahmesituation überhaupt derart positiv behauptete werden kann – sicherlich privilegiert, dem Partner Pferd als Herden- und Fluchttier und letztlich auch dem korrespondierenden Tierschutzerfordernis sei Dank. Anderen „Hobbies“ darf/durfte nämlich schlichtweg gar nicht mehr nachgekommen werden. Fluggesellschaften, Gastronome u. a. haben ihren Betrieb vollständig einstellen müssen. Auch haben Institutionen wie Bundes-/Landesregierungen, aber im Pferdebereich auch die FN[1] oder/und der BBR[2] prompt, ad hoc und letztlich grds. äußerst sinnvolle Leitlinien sowie weiterführende Links zur Verfügung gestellt, um den meisten pandemie-bedingten Unzulänglichkeit so gut als möglich Herr zu werden.
Die Abmilderung/Entschärfung wirtschaftlicher Folgen durch das „Corona-Abmilderungs-Gesetz“
Für den Reitlehrer, Pferdephysiotherapeuten usw. als natürliche Person gibt es keine Insolvenzantragspflicht. Sie haben aber und nach wie vor die Möglichkeit, sich unter den Schutz eines Insolvenzverfahrens zu stellen – und sich letztlich evtl. (durch Covid-19 vergrößerter oder/und verursachter) Schulden per Restschuldbefreiung zu Entledigen. Anders bei eingetragenen Reitvereinen oder in Rechtsform der GmbH geführter Reitbetriebe: Hier besteht die grds. Pflicht zur unverzüglichen Insolvenzantragstellung. Mit korrespondierender Haftung der Vorstands- bzw. Geschäftsführer-Organe gem. § 42 BGB bzw. § 15a InsO. Dies wurde nun erstmal entschärft: Zum 27.03.2020 ist der Bundesgesetzgeber umfassend tätig geworden, um der Corona-Pandemie auch in dem Bereich Herr zu werden. Er hat ein ganzes Paket an Gesetzen erlassen; teilweise zur Entlastung von Krankenhäusern, aber auch zum Schutz der Bevölkerung. Namentlich mit dem ebenfalls beinhalteten Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht[3] (COVInsAG) wurden bisher geltende Regelungen im Insolvenz-, aber auch im Miet- und sonstigen Vertragsrecht zunächst außer Kraft gesetzt bzw. grundlegend geändert. Kurz- und zusammengefasst:
  • Sofern die Finanznot auf der Corona-Pandemie beruht, ist die Insolvenzantragspflicht suspendiert, also ausgesetzt (§ 1 S. 1);
  • jedoch nicht bei fehlenden Aussichten, die Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen (§ 1 S. 2 a. E.).
  • Zudem hat der Gesetzgeber in § 1 S. 3Vermutungsregelungen implementiert;
  • im Übrigen werden die Organ-, aber auch die Kredigeberhaftung und ein Anfechtungsrisiko eingeschränkt (§ 2); was die Kreditvergabe u. a. Liquiditätsmaßnahmen fördern dürfte.
Hinweis: insbesondere das Beruhen der wirtschaftlichen Schieflage eben auf der Pandemie sollte so gut als möglich dokumentiert werden. Die Erleichterungen gelten rückwirkend ab dem 01.03.2020; jedoch – zunächst - nur bis zum 30.09.2020.
Zwar wird die Verpflichtung des Vereinsvorstandes/ eines Geschäftsführers zur Insolvenzantragstellung ausgesetzt. Inhaltliche Verhaltens-Grenzen in der wirtschaftlichen Krise sind aber nach wie vor:
  • vertragliche Regelungen, die an eine Zahlungsunfähigkeit/einen Vermögensverfall anknüpfen;
  • mit geordneten Vermögensverhältnissen zusammenhängende Berufsausübungs-/Gewerberegeln;
  • der Eingehungsbetrug bzw. eine korrespondierende Organhaftung nach Deliktsrecht.
Diese Risiken bestehen für Organe, aber auch als Einzelpersonen handelnde „Pferdeleute“ während Corona fort!
Aber auch was Insolvenzanträge von Gläubigern, also z. B. Sozialversicherungsträgern oder Lieferanten, betrifft, hat der Gesetzgeber die Situation entschärft: Im Ergebnis ist abstellend auf § 3 COVInsAG und letztlich der Tatsache entsprechend, dass auch die Insolvenzgerichte der „shutdown-Anordnung“ entsprechend derzeit nur eingeschränkt Dienste anbieten dürfen, bis auf weiteres für Insolvenzanträge zwischen dem 28.03. und dem 28.06.2020 sogar anzunehmen, dass die Insolvenzanträge bereits unzulässig bzw. nur unter erheblichem Glaubhaftmachungsaufwand der Gläubiger zulässig sind.
Abschließend soll kurz auf die „Corona-Einrede“ verwiesen werden; wonach Verbrauchern Leistungsverweigerungsrechte eingeräumt werden, um Pandemie-Unhärten abzufedern. Die (versucht mißbräuchliche Nutzung dieser) Kündigungsbeschränkung Miet-/Pachtverhältnisse betreffend war dank Adidas und Co. jüngst in den Medien.
FAZIT: So sehr sich insbesondere ein jeder „Pferdemensch“ einen „pauschalen“ Ratschlag/Fahrplan für den möglichst unveränderte Umgang mit dem Pferd gewünscht hätte: Es war, ist und bleibt vollkommen unhomogen, was erlaubt war – und was es für Folgen hatte. So mussten – je nach Bundesland, Ort, aber auch unter Ansehung der konkreten Gegebenheiten vor Ort, Reitställe ihren Betrieb nahezu vollends einstellen; „reisende Reitlehrer“ durften Präsenzunterricht bis auf weiteres nicht mehr geben. Beide mussten mitunter massive Umsatzeinbußen hinnehmen, wo sowieso vermutlich wenige Liquiditäts-Reserven vorhanden waren.
Jeder persönliche Betroffene bzw. für einen Reitverein oder eine Reisportanlage in Rechtsform der GmbH Verantwortliche sollte sich die kritische Frage stellen, ob kurzfristig nicht nur eine sog. „Bugwelle“ aufgebaut bzw. vor sich hergeschoben wird. Denn sonst haben wir derzeit dank Covid-19 trotz den Maßnahmen der Bundesregierung auch in der Pferdebranche bis auf weiteres nur die „Ruhe vor dem Sturm“[4]. Genauer nur bis zum 01.10.2020, suspendieren doch z. B. die Corona-Einrede oder/und Stundungen grds. keine Verzugszinsen! Die durch den Gesetzgeber geschaffenen, durch Politik und Verwaltung gebotenen (Zuschuss-) Möglichkeiten/Soforthilfen, KfW- bzw. Sporthilfeprogemma sollten im Einzelfall geprüft werden, ob für die einzelnen Person bzw. den Verein/die GmbH in der aktuellen (Liquiditäts-) Situation über das ad-hoc Betriebswirtschaftliche hinaus auch mittel- und langfristig in dem Sinne sinnvoll. Es empfiehlt sich indes, insbesondere bei Stundungen, Zahlungsaussetzungen o. ä. im Gegensatz zu Zuschüssen, die grds. keine Rückzahlungsansprüche an sich beinhalten, eher vorsichtig zu sein: Um eine Zahlungskrise bis hin zur Zahlungsunfähigkeit nicht nur zu verschieben!
Über den Autor
Christian Weiß ist Rechtsanwalt/Fachanwalt für Insolvenzrecht und Insolvenzverwalter in Köln; daneben seiner Pferde-Leidenschaft entsprechend mit seiner Frau Katrin Meyer Herausgeber eines Buches zum Pferderecht: https://www.pferdeundrecht.koeln/
 
[1] https://www.pferd-aktuell.de/coronavirus (abgerufen 09.04.2020).
[2] https://berufsreiter.com/ (abgerufen 09.04.2020).
[3] https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&start=%2F%2F%2A%5B%40attr_id=%27bgbl120s0569.pdf%27%5D#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl120s0569.pdf%27%5D__1586437294541 (abgerufen 09.04.2020).
[4] So zutreffend der Insolvenzrechtsexperte Prof. Martini in der Zeitschrift Capital: https://www.capital.de/wirtschaft-politik/insolvenzen-die-ruhe-vor-dem-sturm (abgerufen 09.04.2020)."